Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Jahr neigt sich fast dem Ende zu. Wir werden uns schnell einig sein: Es war für uns alle schon wieder kein leichtes Jahr.
Kaum schien sich die Wirtschaft von den Auswirkungen der Pandemie etwas zu erholen, begann Russland seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Folgen spüren wir inzwischen alle, privat und in unseren Kanzleien. Und so gilt es mehr denn je unseren Mandanten und Mitarbeitenden Orientierung in einer immer komplizierter werdenden Welt zu geben.
Dies birgt Chancen für unser Beratungsportfolio, ja! Es macht den steuerberatenden Beruf sichtbarer in der Öffentlichkeit. Gut so!
Dies zehrt aber auch stark an unseren Kräften. Wohl zu Recht können wir aktuell von einem „erschöpften Berufsstand“ sprechen.
Und so ist es richtig und wichtig, die politischen Entscheidungsträger immer wieder auf die enorme Arbeitsbelastung in den Steuerberaterkanzleien aufmerksam zu machen.
Rückblickend können wir hierbei Erfolge vermelden: Die Politik reagierte einsichtig mit verlängerten Fristen für die Grundsteuererklärungen, die Steuererklärungen 2020 oder die Schlussabrechnungen der Corona-Wirtschaftshilfen – nur unsere Mandanten leider nicht immer.

Gleichzeitig vermehrt sich die bürokratische Last aber an vielen Stellen. Aktuelle Baustellen sind beispielsweise das Hinweisgeberschutzgesetz und die „EU-Richtlinie zur Bekämpfung der Rolle von Vermittlern, die Steuerhinterziehung und aggressive Steuerplanung in der Europäischen Union erleichtern“ – genannt „SAFE“.
Die Gesetzesvorhaben teilen ein Grundproblem: Politische Entscheidungsträger auf nationaler und europäischer Ebene scheinen unsere zentrale Bedeutung als Organ der Steuerrechtspflege für das Gemeinwohl nicht zu verstehen. Sie beschneiden unsere Befugnisse und belegen uns immer wieder mit neuen Pflichten. Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz verfolgt die Bundesregierung zwar ein richtiges Ziel. Denn sie will Personen, die auf Missstände bei Unternehmen oder Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften hinweisen, besser schützen. Dabei nimmt sie auch den Schutz des Berufsgeheimnisses in den Blick, sieht aber nur eine Ausnahme u.a. für Rechtsanwälte, Notare oder Strafverteidiger vor. Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bleiben außen vor.
Dabei verkennt sie, dass wir als Steuerberater in Deutschland aufgrund der gesetzlich verankerten Stellung als Organ der Steuerrechtspflege und der Befugnis zur gerichtlichen Vertretung vor den Finanz-, Verwaltungs- und Sozialgerichten dem Rechtsanwaltsberuf wesensgleich sind. Auf Seiten der EU ist dieses Unverständnis einem einfachen – meines Erachtens fehlerhaften – Übersetzungsproblem geschuldet. So sollten wir den deutschen Steuerberatertitel nicht mit „tax adviser“ sondern mit „tax lawyer“ oder „tax attorney“ übersetzen. Dies rückt uns dann auch sprachlich näher an die Rechtsanwälte. Es liegt hier allerdings noch ein ganzes Stück Überzeugungsarbeit vor uns!

Auch das Jahressteuergesetz 2022 (JStG) birgt so seine Tücken. Positiv ist die Rechtsgrundlage zu bewerten, die einen unbürokratischen und missbrauchssicheren Auszahlungsweg für öffentliche Leistungen ermöglichen soll. Auch dass kleine Photovoltaikanlagen von Steuern und bürokratischen Anforderungen entlastet werden sollen, ist richtig und überfällig. Kritisch ist allerdings die im Gesetzesentwurf enthaltene „Besteuerung der Gas-/Wärmepreisbremse“. Denn nach dem Regierungsentwurf sind die nicht zu leistenden Zahlungen der Dezemberraten für Gas und Strom – ab einer bestimmten Einkommenshöhe – der Einkommensteuer zu unterwerfen … wer hat hier wohl den Beratungsaufwand? Ebenso ist im Jahressteuergesetz 2022 auch das „EU-Energiekrisenbeitragsgesetz“ enthalten, das – auf Vorgaben des Beihilferechts der EU – die Bundesregierung und damit die Finanzverwaltung zwingt einen „befristeten obligatorischen Solidaritätsbeitrag“ (… neue Steuerart? … neuer Solidarzuschlag?) einzuführen. Ich fürchte auch diese Änderungen führen wieder zu einer Mehrbelastung unseres Berufsstandes.

Hier in Hessen, in unserem täglichen „Klein-Klein“, sind wir ebenfalls oft genug mit nervenaufreibenden bürokratischen Hemmnissen gebeutelt. Seien es die langen Wartezeiten bei der Beantragung von Steuernummern, vermehrte Rückfragen der Finanzämter zu Steuererklärungen oder die Vorgaben der Einreichungszeitpunkte von Steuererklärungen bei getrennt lebenden Ehepaaren….Auch dies kostet unnötig Zeit und Energie. Gemeinsam mit dem Steuerberaterverband Hessen machen wir uns vor Ort für die Interessen des Berufsstandes stark: In unseren regelmäßigen Gesprächen mit Ministerium, Oberfinanzdirektion und Finanzämtern. Es gibt weiterhin viel zu tun!

Ein besonderes "Weihnachtsgeschenk" sind in diesem Jahr die Zinsbescheide, die uns in den vergangenen Tagen hundertfach in die Kanzleien geflattert sind. Das hatte gerade noch gefehlt...In einem Gespräch mit dem Finanzministerium habe ich angemerkt, dass von solchen Aktionen vor Feiertagen doch künftig bitte abgesehen werden möge!

Nun wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen, dass die Feiertage dennoch ein wenig Erholung für uns alle bringen. Ich wünsche Ihnen eine frohe und besinnliche Weihnachtszeit, einen guten Rutsch und ein friedvolles, glückliches Jahr 2023.

Ihr
Hartmut Ruppricht
Präsident