Vorsorgeregelung in der Steuerkanzlei

„Haben Sie sich schon einmal mit der Nachfolgeplanung für Ihr Unternehmen befasst? Wer kümmert sich, falls Sie längere Zeit ausfallen?“ – Diese Fragen, die Sie vermutlich schon oft an Mandanten gerichtet haben, sind zugleich Fragen, mit denen sich auch jeder selbstständige Steuerberater und Steuerbevollmächtigte* in eigener Sache befassen sollte.
(*Im Folgenden wird für beide Berufe und alle Geschlechter einheitlich die Bezeichnung „Steuerberater“ verwendet)

Es sind unbequeme Fragen, die gerade in der momentanen Situation mit all ihren Schwierigkeiten und der erheblichen Mehrbelastung in den Kanzleien oft im Alltagsstress untergehen und die auf „irgendwann später“ vertagt werden.

Leider führt ein dauerhaftes Beiseiteschieben der Thematik oftmals dazu, dass gar keine Planung für den Notfall besteht. Eine unterlassene Nachfolgeplanung oder Vorsorge für den Krankheitsfall stellt Kanzleimitarbeiter, Mandanten und nicht zuletzt die Familie des Berufsträgers vor große Schwierigkeiten.

Regelmäßig ist es die Familie, die zusammen mit etwaigen Mitarbeitern, bei plötzlicher und schwerer Krankheit oder im Todesfall organisieren und nachholen muss, was vorher nicht geplant wurde: „Wen muss ich informieren? Was ist zu tun, damit kein Schaden entsteht? Soll die Kanzlei aufgelöst und abgewickelt oder veräußert werden?“

Diese Fragen und Aufgaben belasten gerade berufsfremde Personen in der ohnehin schweren Situation des Verlusts oder der gravierenden Erkrankung eines nahen Angehörigen stark. Auch für Mitarbeiter ist der plötzliche Ausfall oder gar das Versterben des Kanzleiinhabers ein schwerer Schlag. Neben der persönlichen Betroffenheit stehen sie außerdem als direkte Ansprechpartner an vorderster Stelle und sehen sich mit dringlichen Mandantenanfragen konfrontiert, die sie nicht bearbeiten und beantworten können.

Gerade falls im Todesfall beabsichtigt ist, die Kanzlei zu veräußern, ist es zudem wichtig, den Mandanten schnell Sicherheit zu geben und zu kommunizieren, wie es weitergeht. Andernfalls ist mit einer schnellen Abwanderung der Mandanten zu rechnen und ein über Jahre oder Jahrzehnte aufgebauter Mandantenstamm, mit dessen Veräußerung möglicherweise die familiäre Altersvorsorge absichert werden sollte, verflüchtigt sich und stellt die Erben neben allen Schwierigkeiten ggfs. auch noch vor finanzielle Probleme.

Es ist daher wichtig, dass ein Kanzleiinhaber Vorsorge trifft, die Dinge regelt und offen mit allen Beteiligten bespricht.

Es empfiehlt sich, für alle Fälle eine „Notfallmappe“ zusammenzustellen, in der Handlungsanweisungen, Informationen, Kontakt- und Zugangsdaten zu finden sind.

Für einen groben Überblick finden sich im Berufsrechtlichen Handbuch (Fach I.5.2.3.5) Hinweise für den Todesfall eines Steuerberaters, die eine erste Orientierung für Angehörige bieten.

Was ist also zu tun?
Es gilt Vorsorge zu treffen und zwar sowohl für den Krankheitsfall als auch für den Todesfall.

Wer sollte sich kümmern?
Jeder selbstständig tätige Berufsangehörige sollte Vorsorge treffen. Dies gilt umso mehr, wenn eine Einzelkanzlei betrieben wird und kein weiterer Berufskollege vorhanden ist, der im Notfall unterstützen kann.

Auch Alleingesellschafter-Geschäftsführer von Steuerberatungsgesellschaften stehen verstärkt in der Pflicht, den eigenen Ausfall abzusichern und die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft zum Schutz der Mandanten zu erhalten.

Was gibt es bei der Praxisvertretung zu beachten?
Gem. § 69 Abs. 1 StBerG muss ein Steuerberater einen allgemeinen Vertreter bestellen, wenn er länger als einen Monat daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben. Die Bestellung ist der zuständigen Steuerberaterkammer unverzüglich anzuzeigen.

Bei länger als einen Monat andauernden Verhinderungen besteht also eine gesetzliche Verpflichtung zur Vertreterbestellung. Je nach Organisation und Struktur der Kanzlei sollte ein Steuerberater jedoch auch für kürzere Verhinderungen eine Vertretung einrichten, um eine Handlungsfähigkeit sicherzustellen.

Der Steuerberater kann die Bestellung des Vertreters grundsätzlich selbst vornehmen und die Einzelheiten privatrechtlich regeln. Es bedarf hierzu weder eines Verwaltungsaktes noch einer Genehmigung von Vertretung oder Vertrag durch die Kammer.

Zu beachten ist, dass nur ein Steuerberater oder ein Steuerbevollmächtigter als Vertreter eingesetzt werden kann. Die Einsetzung eines Rechtsanwalts oder Wirtschaftsprüfers ist hingegen nicht möglich.

Da der Verhinderungsfall zumeist unvorhergesehen eintritt, empfiehlt es sich, grundsätzlich und bereits ohne konkreten Anlass eine Vertretungsregelung zu treffen, auf die dann im Bedarfsfall zurückgegriffen werden kann. Es kann sich hier anbieten, dass sich die Vertragsparteien wechselseitig zu Vertretern einsetzen und so gegenseitig absichern.

Die Einsetzung des Vertreters sollte schriftlich dokumentiert werden und es empfiehlt sich zur Regelung der Konditionen einen schriftlichen Praxisvertretervertrag abzuschließen. Vertragsmuster können z.B. über den DWS-Verlag bezogen werden.

Es sollten im Vorfeld die Besonderheiten der Kanzlei abgesprochen, ggfs. benötigte Vollmachten ausgestellt und z.B. Schlüssel und elektronische Zugangsdaten hinterlegt werden, um im Notfall einen schnellen und reibungslosen Zugriff auf Kanzleiräume und Daten zu ermöglichen. Im Falle eines planbaren längeren Ausfalls (z.B. bei einer Rehabilitationsmaßnahme) sollten zudem die Mandanten vorab unterrichtet werden, um Irritationen zu vermeiden.

Die Einsetzung eines Vertreters ist der Kammer anzuzeigen. So kann sichergestellt werden, dass z.B. anfragende Mandanten an den Vertreter verwiesen werden können.

Besondere Bedeutung kommt der Anzeige zu, wenn der Vertretene Nutzer der Vollmachtsdatenbank ist. Der Zugriff auf die Vollmachtsdatenbank erfolgt über die Berufsträgerkarte. Ist diese nicht greifbar, weil der alleinige Berufsträger verhindert ist, bedeutet dies, dass für die gesamte Kanzlei keinerlei Kommunikation i.R.d. Vollmachtsdatenbank möglich ist, da auch auf etwaige Unterbevollmächtigungen von Mitarbeitern nicht mehr zurückgegriffen werden kann. Wurde hier keine Vorsorge getroffen und kein Vertreter bestellt und der Kammer angezeigt, entstehen folglich gravierende Probleme.

Erfolgt die Anzeige eines aktiv tätigen Vertreters, wird dieser für den gegenüber der Kammer mitgeteilten Vertretungszeitraum als Vertreter im Berufsregister eingetragen und erhält so Zugriff auf die Vollmachtsdatenbank, vorausgesetzt der Kammer wurde die UserID einer Berufsträgerkarte mitgeteilt oder der Vertreter hat einen gültigen Kammermitgliedsausweis.

Ein guter Überblick zur Praxisvertretung ist im Berufsrechtlichen Handbuch (Fach I.5.2.3.1) zu finden.

Was gibt es für den Todesfall zu beachten?
Verstirbt ein Steuerberater, kann die zuständige Steuerberaterkammer im Bedarfsfall einen Praxisabwickler (§ 70 StBerG) bestellen. Soll die Kanzlei auf eine bestimmte Person übertragen werden, die im Zeitpunkt des Todes des verstorbenen Berufsangehörigen noch nicht zur Steuerberatung befugt ist, kann auf Antrag der Erben auch ein Praxistreuhänder eingesetzt werden (§ 71 StBerG). Das Amt des Abwicklers und Treuhänders kann ebenfalls nur von einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten ausgeübt werden.

Die Einsetzung von Praxisabwickler und Praxistreuhänder erfolgt öffentlich-rechtlich durch einen Verwaltungsakt. Eine privatrechtliche Einsetzung ist nicht möglich.

Auch wenn die Einsetzung schließlich durch die Kammer erfolgen muss, bedeutet dies nicht, dass keine Vorsorge für den Todesfall zu treffen ist.

Hier sollte – je nach persönlicher Situation – mit Angehörigen und/oder Mitarbeitern besprochen werden, was im Todesfall zu unternehmen ist und wer wegen einer Abwicklertätigkeit/Treuhändertätigkeit angesprochen werden könnte. Wie auch beim Praxisvertreter ist es sinnvoll, selbst Kollegen anzusprechen und sich wechselseitig zuzusichern, als Abwickler/Treuhänder zur Verfügung zu stehen.

Sofern die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, setzt die Kammer grundsätzlich den von den Erben benannten Steuerberater als Abwickler/Treuhänder ein, soweit dieser damit einverstanden ist. Soweit kein Abwickler/Treuhänder von den Erben benannt werden kann, kann die Kammer bei der Suche unterstützen und Kontakte vermitteln.

Es ist jedoch von erheblichem Vorteil, wenn bereits ein persönlicher Bezug zu dem Verstorbenen und dessen Kanzlei besteht. Gerade bei umfangreichen Abwicklungen und insbesondere bei einer Treuhandtätigkeit ist auch die zwischenmenschliche Komponente nicht zu vernachlässigen, da Erben und Abwickler/Treuhänder über einen längeren Zeitraum miteinander auskommen müssen.

Die Konditionen für die Praxisabwicklung/Treuhandschaft müssen zwischen den Erben und dem Abwickler/Treuhänder geregelt werden. Es empfiehlt sich der Abschluss eines Praxisabwickler- bzw. Praxistreuhändervertrages. Musterverträge können z.B. über den DWS-Verlag bezogen werden.

Auch Praxisabwickler und Treuhänder werden in das Berufsregister eingetragen und können dann für den verstorbenen Berufsträger die Vollmachtsdatenbank nutzen, sofern sie der Kammer die UserID einer Berufsträgerkarte mitgeteilt haben oder im Besitz eines gültigen Kammermitgliedsausweises sind. Ohne Eintragung besteht kein Zugriff, da die Berufsträgerkarte des Verstorbenen aufgrund seines Todes gesperrt wird. Im Falle einer Einzelkanzlei ist dann die gesamte Kanzlei von der Kommunikation i.R.d. Vollmachtsdatenbank abgeschnitten.

Es gibt auch Fälle, in denen weder Erben noch Mitarbeiter vorhanden sind. Diese Konstellation ist in der Abwicklung oftmals besonders schwierig. Meist melden sich Mandanten bei der Kammer und teilen mit, dass ihr Steuerberater verstorben sei und sie dringend ihre Unterlagen und Daten benötigen. In diesen Fällen setzt die Kammer – nach weiterer Sachverhaltsaufklärung – von Amts wegen einen Praxisabwickler ein, um die Mandanten vor Schaden zu bewahren.

Regelmäßig sieht sich der in solchen Fällen eingesetzte Abwickler bei seiner Tätigkeit praktischen Schwierigkeiten ausgesetzt. Ein geordnetes Ablagesystem und eine als solche erkennbare Notfallmappe (z.B. mit Zugangsdaten) sind hierbei eine große Arbeitserleichterung.

Gerade die Sicherung von Mandantendaten bzw. deren Übertragung auf den neuen Berater ist von enormer Wichtigkeit. Ohne Zugangsdaten kann im schlimmsten Fall keinerlei Zugriff mehr auf die Datenbestände erfolgen, was mit erheblichen Nachteilen für die Mandantschaft verbunden ist.

Hilfreiche Informationen zur Praxisabwicklung und Praxistreuhandschaft sind auch im Berufsrechtlichen Handbuch (Fach I.5.2.3.4 (Abwickler) und Fach I.5.2.3.2 (Treuhänder)) zu finden.

Welche Besonderheiten sind bei Steuerberatungsgesellschaften mit nur einem Gesellschafter-Geschäftsführer zu beachten?
Im Falle des Todes des bisherigen einzigen Gesellschafter-Geschäftsführers einer Steuerberatungsgesellschaft sind die Folgen einer unterlassenen Vorsorge besonders drastisch. Denn wird eine Steuerberatungsgesellschaft nicht mehr verantwortlich durch einen Steuerberater-Geschäftsführer geführt, hat die Steuerberaterkammer nach ergebnislosem Fristablauf zur Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes die Anerkennung der Gesellschaft als Steuerberatungsgesellschaft zu widerrufen. Gibt es jedoch keine anderen Gesellschafter und ist unklar, wer Erbe geworden ist, kann zeitnah keine Beschlussfassung zur Bestellung eines neuen Steuerberater-Geschäftsführers herbeigeführt werden.

Unabhängig vom drohenden Verlust der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft ist die Gesellschaft beim Tod des bisherigen Gesellschafter-Geschäftsführers in der täglichen Praxis nicht mehr handlungsfähig, da niemand die Gesellschaft in organschaftlicher Hinsicht vertreten kann. Auch können die Mitarbeiter der Gesellschaft nicht mehr auf die zur Gesellschaft hinterlegten Vollmachten im Rahmen der Vollmachtsdatenbank zugreifen, da die Berufsträgerkarte bzw. der Kammermitgliedsausweis des verstorbenen Steuerberater-Geschäftsführers mit dessen Tod unwirksam geworden sind. Es empfiehlt sich daher, in der o.g. Notfallmappe zu hinterlegen, wer als Erbe vorgesehen ist und mit der betroffenen Person zu klären, ob diese das Erbe annehmen würde. Auch könnte mit dieser Person besprochen werden, welcher andere Steuerberater gegebenenfalls die Bereitschaft erklärt hat, sich im Bedarfsfall als Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft bestellen zu lassen. Für den Fall der näher zu definierenden dauerhaften Verhinderung des einzigen Gesellschafter-Geschäftsführers könnte der Abschluss einer organvertretenden Generalhandlungsvollmacht im Sinne des § 54 HGB erwogen werden. Weiterhin käme der notarielle Beschluss zur Berufung eines weiteren Steuerberater-Geschäftsführers in Betracht, der im Verhinderungsfall beim Handelsregister anzumelden ist. Da bereits mit dem Beschluss die Bestellung als Geschäftsführer wirksam ist, könnte der bzw. die Betreffende die spätere Anmeldung zum Handelsregister dann selbst bewirken. Allerdings treffen diesen aus demselben Grund auch alle mit der Geschäftsführerstellung einhergehenden Rechte und Pflichten, insbesondere auch Haftungsgefahren. Gegebenenfalls könnte das entsprechende Verfahren im Übrigen auch für den Fall des Todes des jetzigen Gesellschafter-Geschäftsführers vorgesehen werden.

Wegen der im Einzelfall durchaus komplexen Materie empfiehlt es sich, das Nähere mit einem hierauf spezialisierten Rechtsanwalt oder Notar zu erörtern.

Ich möchte selbst als Vertreter, Abwickler oder Treuhänder unterstützen. Was kann ich tun?
Lassen Sie uns eine kurze Nachricht zukommen, in welcher Funktion und ggfs. in welchem räumlichen Umkreis sie tätig werden möchten. Wir nehmen Sie gerne in unsere interne Liste auf und kommen im Bedarfsfall mit Einzelheiten auf Sie zu. Es besteht hierbei keine Verpflichtung, eine Anfrage anzunehmen.

Ein Beitrag von Patricia Brisbois und Ulrich Stumpf