Trotz Nichtbeanstandung bleibt wenig Zeit für Kassennachrüstung
Die Zeichen standen auf Aufschub - eigentlich: Denn die Finanzverwaltung hatte per BMF-Schreiben Ende 2019 verfügt, dass Unternehmen, die elektronische Kassensysteme einsetzen, nötigenfalls Zeit bis Ende September 2020 haben, um sie mit der künftig obligatorischen Technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) auszustatten, falls diese nicht früher zur Verfügung steht. Doch das Gefühl gewonnener Zeit ist trügerisch, denn die wenigen zusätzlichen Monate sind rasch verstrichen, die meisten Unternehmer aber immer noch nicht ausreichend vorbereitet - und zwar nicht nur auf die TSE.
Er scheint nicht abzureißen zu wollen, der Pflichtenkatalog, mit dem die Finanzverwaltung Mandanten überzieht, die mit Bargeld hantieren und Kassensysteme unterschiedlichster Couleur benutzen. Wie schon 2017 angekündigt, greifen seit Jahresanfang weitere Ausbaustufen eines Gesamtregelungswerks, mittels dessen der Gesetzgeber Manipulationen rund um bare Umsätze den Garaus machen will. So folgten auf das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen aus 2016 und der seit 1.1.2018 verbindlichen zweiten Kassenrichtlinie die unangekündigte Kassen-Nachschau im Sommer 2019 sowie eine Anpassung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung per BMF-Schreiben und zuletzt im September 2019 eine Nichtbeanstandungsregelung auf demselben Weg. Corona hat an diesem Pflichtkatalog nichts verändert.
Das sind die wichtigsten Pflichten
In dieser regelungswütigen Gemengelage fällt es nicht nur Mandanten schwer, den Überblick über Zeitachsen und jeweils geltendes Recht zu behalten, sondern auch den Steuerberaterinnen und Steuerberatern selbst. Die wichtigsten - derzeit zu beachtenden Aspekte - sind im Wesentlichen die folgenden:
- die Pflicht zur vollständigen, geordneten und täglichen Einzelaufzeichnung der Kassenumsätze (Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen, § 146 AO, BMF-Schreiben vom 19. Juni 2018)
- die Pflicht zur Archivierung der Einzeldaten spätestens seit dem 1.1.17 und die Zurverfügungstellung der Daten in maschinell auswertbarer Form (GoBD, BMF-Schreiben vom 14.11.2014). Letzteres verpflichtend via Schnittstelle DSFinV-K für die Finanzverwaltung seit dem 1.1.2020 mit Nichtbeanstandung bis zur Implementierung der TSE (BMF-Schreiben vom 17. Juni 2019 und 6. November 2019)
- eine Pflicht zur Belegausgabe - auf Papier oder mit Kundenzustimmung elektronisch (BMF-Schreiben vom 17. Juni 2019)
- die Pflicht zur Integration einer Technischen Sicherungseinrichtung (TSE) in das Kassensystem seit dem 01.01.2020 mit Nichtbeanstandung zum 30.9.2020, allerdings mit Verpflichtung, sobald eine TSE verfügbar und durch Kassenhersteller implementiert ist, die Kassen unverzüglich entsprechend zu erweitern (BMF-Schreiben vom 17. Juni 2019 und 6. November 2019)
- die Pflicht zur Erstellung einer Verfahrensdokumentation (im Grundsatz bereits seit 1995 per BMF-Schreiben zu den GoBS)
Während der Gesetzgeber nicht müde wird, die Anforderungen an die Mandanten und die Hersteller von gesetzeskonformen Systemen immer weiter zu erhöhen, sorgte Ende 2019 die schiere Kürze der gewährten Entwicklungszeit für die Technische Sicherheitseinrichtung - ein zusätzlich im System integriertes Stück Hard- oder Software, das im Wesentlichen alle Änderungen unveränderbar protokolliert und Daten signiert - für einen erzwungenen Stopp.
Aufgeschoben ist keineswegs aufgehoben
Denn nachdem es nicht gelungen war, rechtzeitig einen verbindlichen Rahmen für die Zertifizierung der Systeme zu schaffen, konnten diese in der Folge unmöglich bis zum Jahreswechsel 2019/20 auf den Markt gelangen. Die Finanzverwaltung reagierte mittels einer Nichtbeanstandungsregelung - allerdings wiederum mit einer engen Zeitschiene versehen und ausschließlich auf TSE, Kassenmeldeverpflichtung und den Einsatz der digitalen Schnittstelle bezogen.
So heißt es in dem entsprechenden Schreiben vom 6.11.19: "Die technisch notwendigen Anpassungen und Aufrüstungen sind umgehend durchzuführen und die rechtlichen Voraussetzungen unverzüglich zu erfüllen. Zur Umsetzung einer flächendeckenden Aufrüstung elektronischer Aufzeichnungssysteme im Sinne des § 146a AO wird es nicht beanstandet, wenn diese elektronischen Aufzeichnungssysteme längstens bis zum 30. September 2020 noch nicht über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügen."
Das bedeutet: Mit Ausnahme von TSE, Meldeverpflichtung und digitaler Schnittstelle waren bzw. sind alle Anforderungen des umfassenden Schreibens vom 17. Juni 2019 weiterhin fristgerecht umzusetzen, Stichworte: Belegausgabepflicht und Verfahrensdokumentation. Es bleibt also trotz des vermeintlichen Aufschubs, der vor allem den Kassenherstellern nützt, für Berater und Mandanten eine ganze Menge in sehr kurzer Zeit zu tun und daran ändert auch Corona nichts.
Verband schafft Erleichterungen bei der Umsetzung
Inzwischen können Mandanten dabei aber immerhin auf einen etwas konkreteren Rahmen bauen: So haben etwa die Verbände reagiert und stellen seit Februar 2019 den Herstellern von Kassensystemen einen Standard für die Daten zur Verfügung, auf den sich die im Deutschen Fachverband für Kassen- und Abrechnungstechnik e.V. (DFKA) zusammengeschlossenen Unternehmen geeinigt hatten.
Die DFKA-Taxonomie-Kassendaten basiert auf dem JSON-Format. Zudem können die so standardisierten Daten auf Basis des Beschreibungsstandards der Finanzverwaltung über die DSFinV-K in das entsprechende csv-Format überführt werden. Auf diese Weise leisten Mandanten dann sukzessive ihrer Pflicht Genüge und stellen der Finanzverwaltung alle Bestandteile der geforderten Schnittstelle zur Verfügung.
Ähnlich hilfreich für die Praxis dürfte die Muster-Verfahrensdokumentation sein, die der DFKA im vergangenen Jahr erstellt hat. Denn obwohl die Pflicht eine solche zu erstellen, im Grundsatz bereits seit 1995 besteht, haben viele Mandanten es bislang unterlassen, ihre Prozesse rund um die Kasse gesetzeskonform zu beschreiben. Selbst derjenige, wohl geringere Teil, der das bereits getan hat, kommt nun nicht umhin, sie an die neuen Abläufe anzupassen. Das Muster, das allen Mandanten dienlich ist, steht unter https://dfka.net/muster-vd-kasse/ als bearbeitbares Word-Dokument kostenlos zum Download zur Verfügung.
Wie Berater und Mandanten das Muster am sinnvollsten nutzen, wie die ideale Aufgabenverteilung aussieht und welches dabei die größten Hürden sind, beleuchtet der nächste Teil dieser Serie.