Formverstöße bei Vergütungsvereinbarungen
In der Praxis werden häufig Vergütungsvereinbarungen unter Missachtung der nach § 4 StBVV erforderlichen Form geschlossen. Dies betrifft insoweit mündliche Absprachen oder solche, bei denen der Steuerberater per E-Mail mitteilt, welches Honorar er für welche Tätigkeit beansprucht und der Mandant sich per E-Mail damit einverstanden erklärt. In beiden Fällen sind die Formerfordernisse des § 4 StBVV nicht erfüllt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine so getroffene Vereinbarung immer unwirksam wäre. Auf die Einhaltung der Formalien kommt es nämlich nur dann an, wenn der Steuerberater „eine höhere als die gesetzliche Vergütung“ fordert.
Beispiel: Der Steuerberater vereinbart mit seinem Mandanten, dass die Buchführung nicht nach Wert-, sondern nach Zeitgebühr berechnet wird (80 € Mitarbeiter, 120 € Steuerberater). Entsprechend dieser Vereinbarung stellt er dem Mandanten sodann zwischen 400 € und 500 € monatlich in Rechnung. Hätte der Steuerberater die Buchführung „ganz normal“ nach § 33 StBVV abgerechnet (also z. B. bei durchschnittlichem Aufwand die Mittelgebühr angesetzt), hätte er monatlich 500 € abrechnen können. Der Mandant muss auf der Grundlage der Vereinbarung also nicht mehr zahlen, als ihm bei Abrechnung nach der StBVV in Rechnung gestellt worden wäre. Die getroffene Vergütungsvereinbarung ist wirksam.
Wenn die getroffene Vereinbarung zu einem höheren Honorar „als dem gesetzlichen“ führt, müssen die Formvorschriften des § 4 StBVV beachtet werden, anderenfalls ist die Vereinbarung nichtig. Was aber ist die gesetzliche Vergütung? Ist damit jede Vergütung gemeint, die sich noch innerhalb der StBVV bewegt oder ist damit die Vergütung gemeint, die der Steuerberater nach dem Gesetz berechnen darf?
In der Literatur wird von einigen Autoren die Auffassung vertreten, mit dem Begriff „gesetzliche Vergütung“ seien alle Gebühren gemeint, die sich (noch) innerhalb des Gebührenrahmens bewegen. Nach dieser Auffassung sind alle Vereinbarungen, die nicht zum Überschreiten der Höchstgebühren führen, ohne Einhaltung von Formerfordernissen wirksam.
Beispiel: Der Steuerberater vereinbart mündlich eine Gebühr von 40/10 für den Jahresabschluss. Die an sich angemessene Gebühr liegt bei 25/10. Der Steuerberater könnte nach dieser Auffassung, obwohl keine wirksame Vereinbarung nach § 4 StBVV vorliegt, eine Gebühr von 40/10 beanspruchen, da diese vereinbart wurde. Nur dann, wenn der Steuerberater die Höchstsätze überschreitet (z. B. 50/10 verlangt), wäre der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung nach § 4 StBVV zwingend.
Meiner Auffassung nach ist mit der „gesetzlichen Vergütung“ die Vergütung gemeint, die der Mandant nach dem Gesetz schuldet. Und dies ist nach dem Regelwerk der StBVV nicht die Höchstgebühr, sondern die nach § 11 StBVV zu bestimmende „angemessene“ Gebühr. Die Begründung ergibt sich mittelbar aus § 14 StBVV. In dieser Vorschrift ist die Vereinbarung einer Pauschalvergütung geregelt, wobei in Abs. 3 normiert ist, dass die vereinbarte Pauschalvergütung „in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung des Steuerberaters stehen muss". Tut sie dies nicht, kann der Steuerberater nicht das volle Honorar einklagen bzw. muss zu viel erhaltenes Honorar nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung an den Mandanten zurückzahlen.
Beispiel: Der Steuerberater vereinbart mit dem Mandanten nach § 14 StBVV für Jahresabschluss, Steuererklärungen, Buchhaltung und Löhne ein jährliches Pauschalhonorar von 5.000 €. Im Rechtsstreit erachtet der Gutachter nach Bewertung und Addition der Einzeltätigkeiten eine Gebühr von 4.000 € als angemessen. Beim Ansatz der Höchstgebühren hätte der Steuerberater 6.000 € verlangen können. Das Gericht wird den Steuerberater zur Rückzahlung von 1.000 € verurteilen, da die getroffene Vereinbarung nach § 14 Abs. 3 StBVV nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung des Steuerberaters steht.
An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Auffassung, jede Vereinbarung, die nicht zu einer Überschreitung der Höchstgebühren führe, formfrei möglich sei, nicht zutreffend sein kann, denn dann wäre für die Regelung des § 14 Abs. 3 StBVV kein Raum.
Soweit von der Gegenseite ausgeführt wird, der BGH (Beschluss vom 07.05.2013, IX ZA 1/13) halte § 4 StBVV nur bei einer Obersatzabweichung für anwendbar, liegt m. E. eine Fehlinterpretation dieses Beschlusses vor. Der BGH hat ausgeführt: „Jedenfalls fehlt es insoweit an der erforderlichen Obersatzabweichung. Nur solche Gebührenvereinbarungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, die, bezogen auf die jeweilige Angelegenheit, einen die gesetzliche Vergütung übersteigenden Honoraranspruch des Steuerberaters begründen sollen“ (BGH, Urteil vom 21.09.2000 – IX ZR 437/99, WM 2000, 2435).
Mit Obersatzabweichung war, und dies ergibt sich aus der Bezugnahme des BGH auf seine frühere Rechtsprechung, nicht die Überschreitung der Höchstgebühr, sondern die Überschreitung der insg. angemessenen Gebühr gemeint. Denn in dem zitierten Urteil des BGH vom 21.09.2000 (IX ZR 437/99) wird eine Obersatzabweichung (Überschreitung der nach dem Gesetz bestehenden Höchstgebühr) mit keinem Wort erwähnt. Es ging im Streitfall allein um die Frage, ob die vereinbarten Gebühren insg. die Höhe der Gebühren, die mittels Abrechnung nach Gegenstandswert entstanden wären, übersteigen bzw. um die Aussage, dass bis zu dieser Schnittstelle eine formal gültige Vereinbarung nach § 4 StBVV nicht erforderlich sei.
Der BGH führt hierzu wörtlich aus (Hervorhebung diesseits): „§ 4 Abs. 1 StBGebV entspricht inhaltlich der Bestimmung des § 3 Abs.1 BRAGO. Beide Vorschriften dienen allein dem Schutz des Auftraggebers. Dieser soll sich ohne schriftliche Erklärung nicht wirksam verpflichten können, dem Berater ein Honorar zu zahlen, das die nach der Gebührenordnung geschuldete Vergütung übersteigt (amtliche Begründung zu § 4 StBGebV, abgedr. bei Eckert/Böttcher, StBGebV 2. Aufl. § 4 vor Rdnr. 1; vgl. auch Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO 8. Aufl. § 3 Rdnr. 10). Entsprechend diesem Schutzzweck kann die Frage, ob die Vereinbarung zwischen dem Steuerberater und seinem Mandanten einen über das gesetzlich geschuldete Honorar hinausgehenden Anspruch begründen soll, nicht durch Vergleich mit einer einzelnen Gebührenvorschrift beantwortet werden. Vielmehr richtet sich die Beurteilung danach, was die Erledigung der gesamten Angelegenheit auf der Grundlage der Vereinbarung im Vergleich zur normierten Regelung kostet. Solange die Gebührenabrede nicht zur Folge hat, dass der Steuerberater ein höheres Honorar verlangen kann als nach gesetzlichem Gebührenrecht, ist der Auftraggeber in seinen von § 4 Abs. 1 StBGebV geschützten Belangen nicht betroffen.“
Fazit:
Sofern Sie mit Ihrem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung geschlossen haben, die nicht den Formerfordernissen des § 4 StBVV entspricht, ist diese wirksam, wenn der Mandant „unter dem Strich“ kein höheres Honorar zahlen muss, als dies bei normaler Anwendung der StBVV entstanden wäre. Allein der Vorwurf, Sie hätten z. B. irgendeine Tätigkeit nach Zeitgebühr abgerechnet, obwohl die Verordnung eine Wertgebühr vorsehe, führt mithin nicht dazu, dass die Vereinbarung unwirksam wird. Allerdings kann in einem solchen Fall (wie in allen Gebührenstreitigkeiten sonst auch) trefflich darüber gestritten werden, welche Gebühr die angemessene ist. Auf der sicheren Seite sind Sie mit Vergütungsvereinbarungen daher nur dann, wenn Sie die Formerfordernisse des § 4 StBVV beachten. Dann ist es sogar unschädlich, wenn Sie die Höhe der gesetzlichen Vergütung um bis zum Fünffachen überschreiten (ab dem Fünffachen ist die Vergütung nach der Rechtsprechung des BGH sittenwidrig)
aus: kanzlei-intern, 28.06.2019
Autor: Michael Klaeren, Steuerberaterkammer Südbaden