Neue Freistellungsregelungen für Auszubildende

Auszubildende sind nach § 15 Berufsbildungsgesetz (BBiG) für die Teilnahme am Berufsschulunterricht vom Ausbildungsbetrieb freizustellen. Dabei wird die Berufsschulunterrichtszeit samt der Pausen auf die Ausbildungszeit angerechnet. Gem. § 19 BBiG ist für die Zeit der Freistellung die Vergütung zu bezahlen. Eine Unterscheidung der Freistellungsregelung gibt es seit Inkrafttreten des neuen Berufsbildungsgesetzes am 1. Januar 2020 zwischen jugendlichen und volljährigen Auszubildenden nicht mehr. Für alle Auszubildende gilt deshalb: 

  • Vor einem vor 09:00 Uhr beginnenden Berufsschulunterricht dürfen Auszubildende nicht beschäftigt werden.
  • An einem Berufsschultag mit mehr als 5 Unterrichtsstunden von mindestens je 45 Minuten sind Auszubildende einmal in der Woche freizustellen. Eine Anrechnung der Berufsschultage erfolgt mit der durchschnittlichen täglichen Ausbildungszeit. Im Anschluss an einen zweiten Berufsschultag in einer Woche dürfen Auszubildende beschäftigt werden. Hierbei ist die gesetzlich zulässige Arbeitszeit gem. § 3 Arbeitszeitgesetz und § 8 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) zu beachten.
  • Für die Teilnahme an Prüfungen gilt ebenfalls Freistellungspflicht.
  • An dem Arbeitstag, der der schriftlichen Abschlussprüfung unmittelbar vorangeht, sind Auszubildende freizustellen. Anzurechnen ist die Freistellung mit der durchschnittlichen täglichen Ausbildungszeit.

Eine Regelung zur Anrechnung von Wegezeiten von Auszubildenden zur Berufsschule bzw. zwischen Berufsschule und Ausbildungsbetrieb wurde vom Gesetzgeber nicht in das Gesetz aufgenommen. Das Bundesarbeitsgericht hatte zwar mit Urteil vom 26. März 2001 (Az.: 5 AZR 413/99) festgestellt, dass die Wegezeit eines volljährigen Azubis von der Berufsschule zur Ausbildungspraxis bei Rückkehr in die Ausbildungspraxis auf die Ausbildungszeit anzurechnen ist. Dieses Urteil erfolgte jedoch vor dem Hintergrund des Außerkrafttretens von § 9 Abs. 4 JArbSchG zum 1. März 1997. Im neuen BBiG sind für alle Auszubildenden konkrete Anrechnungstatbestände in das Gesetz aufgenommen worden, die Anrechnung der Wegezeit jedoch nicht. Nicht auszuschließen ist, dass der Gesetzgeber dies schlicht übersehen hat. In einem am 02.03.2020 zwischen Vertretern des Bundesministerims für Bildung und Forschung sowie der BFB-Mitgliedsorganisationen und Kammern der Freien Berufe geführten Gespräch zur Auslegung und Umsetzung des novellierten BBiG hatten Ministeriumsvertreter darauf hingewiesen, dass mit der Anpassung des § 15 BBiG die Zielgruppe der volljährigen Auszubildenden mit jugendlichen Auszubildenden gleichgestellt werden sollten. Eine darüberhinausgehende Änderung der Rechtslage bzw. eine Schlechterstellung der Auszubildenden war nicht beabsichtigt. Die erforderliche Wegezeit nach der Berufsschule zur Rückkehr in den Betrieb sollte daher – entsprechend der Rechtsprechung des BAG – auf die Ausbildungszeit angerechnet werden. Nicht gerechnet wird dagegen die Wegezeit, die Auszubildende von der Wohnung bis zur Berufsschule benötigen oder nach der Schule zur eigenen Wohnung. Endgültige Klarheit hierzu werden wohl erst gerichtliche Entscheidungen schaffen.