Korrektur eines Antrags auf Überbrückungshilfe und Verschwiegenheitspflicht

Im Zusammenhang mit der Beantragung von Überbrückungshilfen durch den Steuerberater für den Mandanten im Rahmen der Corona-Pandemie stellt sich in der Praxis die Frage, inwieweit der Steuerberater mit Blick auf die Verschwiegenheitspflicht berechtigt ist, eine Korrektur des von ihm in seiner Eigenschaft als prüfender Dritter übermittelten Antrags auf Überbrückungshilfe vorzunehmen bzw. eine zwischenzeitlich erfolgte Änderung der wirtschaftlichen Daten/Zahlen im Rahmen der Schlussabrechnung an die Bewilligungsstelle zu übermitteln.

Hierzu hat sich die Bundessteuerberaterkammer wie folgt positioniert: 


Korrektur eines Antrags auf Überbrückungshilfe und Verschwiegenheitspflicht

Im Zusammenhang mit der Beantragung von Überbrückungshilfen durch den Steuerberater für den Mandanten im Rahmen der Corona-Pandemie stellt sich in der Praxis die Frage, inwieweit der Steuerberater mit Blick auf die Verschwiegenheitspflicht berechtigt ist, eine Korrektur des von ihm in seiner Eigenschaft als prüfender Dritter übermittelten Antrags auf Überbrückungshilfe vorzunehmen bzw. eine zwischenzeitlich erfolgte Änderung der wirtschaftlichen Daten/Zahlen im Rahmen der Schlussabrechnung an die Bewilligungsstelle zu übermitteln.

Nach Ansicht der Bundessteuerberaterkammer gilt diesbezüglich das Folgende:

I. Straf- und haftungsrechtliche Rechtslage
Der Steuerberater kann sich bei einem fehlerhaften Antrag auf Überbrückungshilfe unter Umständen auch eines Subventionsbetrugs gemäß § 264 StGB (als Täter oder wegen Beihilfe) strafbar machen.

So hat der BGH bereits entschieden, dass es sich bei den Corona-Hilfen um Subventionen i. S. v. § 264 StGB handelt (BGH, Beschluss v. 04.05.2021, 6 StR 137/21). Zudem ist der Straftatbestand des § 264 StGB in doppelter Hinsicht weit gefasst. Zum einen reicht es aus, dass der Täter „über subventionserhebliche Tatsachen für sich oder einen anderen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die für ihn oder einen anderen vorteilhaft sind“. Auch Steuerberater, Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer, die für ihren Mandanten („… für einen anderen …“) einen Subventionsantrag stellen, können somit Täter oder Teilnehmer eines Subventionsbetrugs sein (vgl. Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2019, § 264 Rdnr. 49). Zum anderen verlangt § 264 StGB keine vorsätzliche Begehung, sondern lässt (bei gemildertem Strafrahmen) bereits eine leichtfertige Begehung ausreichen (§ 264 Abs. 5 StGB). Eine strafbefreiende Selbstanzeige ist vorgesehen, führt aber zeitlich nur bis zur Subventionsgewährung zur Straffreiheit (§ 264 Abs. 6 StGB). Eine spätere Korrektur von Erklärungen oder die Rückzahlung der Subvention lässt also die Strafbarkeit unberührt, dürfte aber einen maßgeblichen Strafmilderungsgrund darstellen, weil eine Schadenswiedergutmachung i. S. v. § 46 Abs. 2 StGB vorliegen würde.

Haftungsrechtlich ist zu beachten, dass der Subventionsbetrug gemäß § 264 StGB ein sog. Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB darstellt. Daher haftet der Steuerberater, der sich als Täter oder Teilnehmer eines Subventionsbetrugs strafbar macht, der Subventionsstelle deliktisch nach § 823 Abs. 2 i. V. m. § 264 StGB, und zwar grundsätzlich in der vollen Höhe der dem Mandanten unberechtigt gewährten Subventionen. Die Verlautbarungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie stellen zwar fest, dass der prüfende Dritte seine Berufspflichten zu beachten hat, eine darüber hinausgehende Haftung gegenüber dem die Überbrückungshilfen gewährenden Land jedoch ausgeschlossen ist. Diese Formulierung schließt aber nicht generell eine Haftung des Steuerberaters in den Fällen einer eigenen Strafbarkeit wegen Subventionsbetrugs völlig aus. Denn es lässt sich die Auffassung vertreten, dass es zu den allgemeinen Berufspflichten (hier: Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung) eines Steuerberaters gehört, sich nicht an einem Subventionsbetrug des Mandanten zu beteiligen.

Die subventionsgewährende Stelle muss etwaige Haftungsansprüche allerdings im zivilrechtlichen Klageverfahren durchsetzen, sie darf zur Durchsetzung des Schadenersatzanspruchs dagegen keinen Haftungsbescheid gemäß § 191 AO erlassen (BFH, Urteil vom 19. Dezember 2013, III R 25/10).

II. Berufsrechtliche Bewertung
Der Beurteilung der berufsrechtlichen Rechtslage liegt die Annahme zugrunde, dass eine Einwilligung des Mandanten in eine Korrekturmitteilung nicht vorliegt. Eine zulässige Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht kommt daher nur aufgrund der Wahrnehmung berechtigter eigener Interessen gemäß § 5 Abs. 2 BOStB in Betracht. Diese berechtigten eigenen Interessen des Steuerberaters können im hier relevanten Kontext allein die Abwehr oder die Minderung von strafrechtlichen oder haftungsrechtlichen Risiken sein. Insoweit sind die folgenden Fallkonstellationen zu unterscheiden:

1. Der ursprüngliche Antrag ist fehlerhaft
a) Kollusives Zusammenwirken von Steuerberater und Mandant
Steuerberater und Mandant wirken kollusiv zusammen, um einen Subventionsbetrug zu begehen. In diesem Fall hat sich der Steuerberater unzweifelhaft wegen Subventionsbetrug gemäß § 264 StGB strafbar gemacht, sodass die Gefahr der eigenen Strafbarkeit besteht. Für den Fall, dass ein Steuerberater an einer Steuerhinterziehung seines Mandanten als Mittäter oder Teilnehmer beteiligt war, ist anerkannt, dass weder die Treuepflichten aus dem Mandatsverhältnis noch seine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht ihn an einer strafbefreienden Selbstanzeige hindern. Dies gilt entsprechend für die Beantragung der Überbrückungshilfen. Auch in diesem Fall wird das zivilrechtliche Mandatsverhältnis durch die strafrechtlich gemeinschaftliche Tatbegehung überlagert, mit der Folge, dass die Verschwiegenheitspflicht nicht greift.

b) Steuerberater hat korrekt gehandelt, der Antrag erweist sich aber als fehlerhaft
Der Steuerberater hat bei der Vorbereitung des Antrags auf Gewährung von Überbrückungshilfen korrekt gearbeitet, d. h. er hat die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie von den Berufsorganisationen veröffentlichten Prüfungsleitlinien und Hinweise beachtet; auch seine Dokumentation der Prüfungshandlungen ist ordnungsgemäß. Der Antrag ist trotzdem fehlerhaft – sei es, weil sich die Angaben bzw. Schätzungen/Prognosen nachträglich als falsch erweisen, oder aber auch, weil der mit krimineller Energie ausgestattete Mandant mit gefälschter Dokumentation den Steuerberater professionell hinters Licht geführt hat, um Corona-Hilfen „abzugreifen“. In diesem Fall ist der Steuerberater uneingeschränkt zur Verschwiegenheit verpflichtet, weil er bei realistischer Betrachtungsweise nicht Gefahr läuft, sich wegen Subventionsbetrug strafbar zu machen und zivilrechtlich zu haften (keine hinreichend konkrete Gefahr einer eigenen strafrechtlichen Verfolgung wegen Subventionsbetrugs). Er kann sich daher in diesem Fall auch nicht auf die Wahrnehmung berechtigter eigener Interessen berufen.

c) Der Antrag ist aufgrund eines Fehlers des Steuerberaters falsch
Der Steuerberater hat die anerkannten Bearbeitungsstandards zur Beantragung der Überbrückungshilfen verletzt oder kann ihre Einhaltung mangels ordentlicher Dokumentation jedenfalls nicht nachweisen. Er hat damit den objektiven Tatbestand des § 264 StGB verwirklicht, weil er für seinen Mandanten unrichtige Angaben über subventionserhebliche Tatsachen gemacht hat. Die Frage, ob in diesem Fall tatsächlich auch der subjektive Tatbestand erfüllt ist, bzw. irgendwann später ein Gericht das Verhalten das Steuerberaters als nur einfach fahrlässig würdigt (keine Strafbarkeit, keine Haftung) oder die Grenze zur Leichtfertigkeit (§ 264 Abs. 5 StGB) als überschritten ansieht, kann der Steuerberater in dem Zeitpunkt unmittelbar nach der Fehlerentdeckung nicht abschätzen.

Der Steuerberater hat in diesem Fall eine seriöse Interessenabwägung vorzunehmen. Wesentliche Kriterien sind dabei die Schwere und die Evidenz des Bearbeitungsfehlers (je grober der Fehler ist, desto größer ist das Risiko, dass das Verhalten des Steuerberaters schlussendlich als vorsätzlich oder doch jedenfalls als leichtfertig gewürdigt wird), die Frage, ob die Überbrückungshilfen bereits bewilligt und ausgezahlt wurden (soweit für den Steuerberater noch die Chance auf Straffreiheit gemäß § 264 Abs. 6 StGB besteht, wird man zu seinen Gunsten großzügigere Maßstäbe anlegen dürfen) und das Risiko, schlussendlich auch zivilrechtlich gegenüber der subventionsgewährenden Stelle haften zu müssen (soweit die Situation droht, dass die ausgezahlten Überbrückungshilfen beim Mandanten zeitig „verbrannt“ werden, der Steuerberater also schlussendlich alleine haftet, wird man auch diesen Umstand bei der Interessenabwägung zugunsten des Steuerberaters berücksichtigen können). Aufseiten des Mandanten dürfte es unter anderem etwa darauf ankommen, ob ein neuer Mandant den Steuerberater dazu missbraucht hat, Corona-Hilfen für ein real nicht existierendes „Fake-Unternehmen“ zu erschleichen (vgl. dazu den Sachverhalt des BGH-Beschlusses vom 04. Mai 2021, 6 StR 137/21), oder ob es sich um ein Unternehmen handelt, für das es wirtschaftlich wichtig wäre, die unberechtigt erhaltenen Corona-Hilfen erst im Zuge der Schlussabrechnung zurückzahlen zu müssen.

Stellt der Steuerberater eine solche seriöse Interessenabwägung zur Beantwortung der Frage an, ob auf seiner Seite hinreichende berechtigte Interessen i. S. v. § 5 Abs. 2 BOStB an der Offenbarung (konkret: an der Korrektur des Antrags auf Überbrückungshilfe des Mandanten) bestehen, dann ist seine Entscheidung aus berufsrechtlicher Sicht im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht zu akzeptieren. Anlass zu einer berufsrechtlichen Ahndung besteht somit nur, wenn sich der Steuerberater überhaupt keine Gedanken über seine Verschwiegenheitspflicht und ihre Grenzen im konkreten Einzelfall gemacht hat, oder wenn ausnahmsweise jede denkbare Abwägung dermaßen evident gegen eine Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht ausfallen muss, dass das abweichende Resultat des Steuerberaters rational nicht nachvollzogen werden kann.

2. Der ursprüngliche Antrag ist korrekt, aber Korrektur in der Schlussabrechnung, weil sich die wirtschaftlichen Verhältnisse seit dem Ursprungsantrag geändert haben
Waren die im Ursprungsantrag vorgenommenen Schätzungen und Prognosen auf Grundlage der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Daten und Erkenntnisse korrekt, haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse aber anders entwickelt, ist der Steuerberater verpflichtet, in der Schlussabrechnung eine entsprechende Korrektur vorzunehmen. Da eine Strafbarkeit des Steuerberaters wegen Subventionsbetrugs in diesem Fall ausscheidet, kann sich der Steuerberater nicht auf eine Wahrnehmung berechtigter eigener Interessen berufen und darf nicht eigenmächtig eine Korrektur im Rahmen der Schlussabrechnung vornehmen bzw. die geänderten wirtschaftlichen Daten mitteilen, sondern nur, wenn er von dem Mandanten dazu beauftragt ist. Weigert sich der Mandant, dem Steuerberater einen solchen Auftrag zu erteilen oder weist ihn sogar ausdrücklich an, eine falsche Schlussabrechnung vorzulegen, muss er das Mandat niederlegen.