Corona-Krise und Berufsrecht

Die aktuelle Situation stellt unsere Mitglieder vor viele neue Fragen. Die häufigsten Fragen greifen wir für Sie nachfolgend auf:

Dürfen Steuerberater ihre Mandanten bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld und bei der Beantragung von Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz vertreten?

Zulässig sind jedenfalls die Berechnung von Kurzarbeitergeld sowie das bloße Ausfüllen des Antragsformulars für die Beantragung von Kurzarbeitergeld und die Abgabe der Meldung für den Mandanten. Nicht beraten dürfen Steuerberater ihre Mandanten in arbeitsrechtlichen Fragen rund um die Frage von betriebsbedingten Kündigungen. In diesen Fragen sind Rechtsanwälte heranzuziehen. Das Ausfüllen der Anträge auf Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz dürfte ebenso zulässig sein. Für weitergehende Fragen ist anwaltlicher Rat einzuholen.

Anmerkung: Diese Frage ist letztendlich höchstrichterlich noch nicht entschieden. Das Sozialgericht Chemnitz (Urt. v. 26.10.2017 – S 26 AL 331/16) hat einen mit der Lohnbuchhaltung eines Baubetriebs beauftragten Steuerberater in einem Widerspruchsverfahren auf Saison-Kurzarbeitergeld nach § 101 SGB III als Verfahrensbevollmächtigten des Arbeitgebers jedenfalls dann als vertretungsberechtigt angesehen, wenn nur Berechnungsfragen für das Saison-Kurzarbeitergeld im Streit stehen. Sowohl das Antrags- als auch das Widerspruchsverfahren sind in diesem Fall eine zulässige Nebentätigkeit zur Lohnbuchhaltung nach § 5 Abs. 1 RDG. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Berufung ist unter dem beim LSG Sachsen unter dem Az. L 3 AL 176/17 anhängig.

Inwieweit sind die Tätigkeiten des Steuerberaters im Zusammenhang mit der Beantragung von Kurzarbeitergeld in der Berufshaftpflichtversicherung versichert?

Nach einer Stellungnahme der HDI-Versicherung (Link einfügen) gegenüber der Steuerberaterkammer Hessen sind Meldungen zum Kurzarbeitergeld in der Berufshaftpflichtversicherung gemäß der Risikobeschreibung versichert. Der Schwerpunkt des KUG-Verfahrens liegt regelmäßig auf dem Errechnen der konkreten Ansprüche der Arbeitnehmer anhand der Lohnunterlagen. Die Berechnung des Kurzarbeitergeldes entsprechender Meldung ist nach Ansicht der HDI-Versicherung eine reine Rechtsanwendung. Rechtsberatungen zum Kurzarbeitergeld sind dagegen nur in dem Umfang versichert, wie sie eine zulässige Nebenleistung darstellen. Dies ist, wie oben ausgeführt, bisher höchstrichterlich nicht geklärt. Allerdings gilt, dass der Versicherungsschutz auch dann bestehen bleibt, wenn die Grenzen der erlaubten Rechtsdienstleistung nicht bewusst überschritten werden. Es wird empfohlen, sich im Zweifel an den jeweiligen Versicherer zu wenden.

Wie kann der Antrag auf Kurzarbeitergeld vom Steuerberater abgerechnet werden?

Sofern der Steuerberater vom Mandanten mit der Lohnbuchführung beauftragt wurde, kann der Antrag auf Kurzarbeitergeld analog § 34 Abs. 5 StBVV als sonstige Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Lohnsteuerabzug und der Lohnbuchführung mit der Zeitgebühr abgerechnet werden. Ist dies nicht der Fall, bleibt nur die Möglichkeit nach den einschlägigen Vorschriften des Zivilrechts (§§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB) die übliche Vergütung zu berechnen. Hierbei kann ein Honorar nach dem Zeitaufwand in Betracht kommen. Empfehlenswert ist der Abschluss einer Honorarvereinbarung.

Beantragung von Soforthilfen für den Mandanten

Das Land Hessen hat umfangreiche Soforthilfen für Selbständige und Unternehmen zur Verfügung gestellt. Steuerberater können ihre Auftraggeber gemäß § 57 Absatz 3 Nr. 3 StBerG bei der Stellung des Soforthilfeantrags beraten und unterstützen. Unter Haftungsgesichtspunkten und im Hinblick auf eine nicht auszuschließende strafrechtliche Mitverantwortung sollte jedoch darauf geachtet werden, dass der Mandant den Antrag eidesstattlich unterzeichnet und damit die Verantwortung für die Richtigkeit der gemachten Angaben trägt. Empfehlenswert ist es, dass der Mandant den Antrag selbst ausfüllt und der Steuerberater hierbei nur Hilfestellung gibt.

Die Banken fordern zum Teil, dass Liquiditätspläne, betriebswirtschaftliche Auswertungen u. ä. vom Steuerberater direkt der Bank vorgelegt bzw. vom Steuerberater unterzeichnet werden. Wie sieht es mit der Haftung des Steuerberaters aus?

Händigt der Steuerberater vom ihm für den Mandanten erstellte Liquiditätspläne, betriebswirtschaftliche Auswertungen u. ä. direkt der Bank aus, droht eine unmittelbare Haftung des Steuerberaters gegenüber der Bank aus einem stillschweigend abgeschlossenen Auskunftsvertrag, wenn der Bank aufgrund fehlerhafter Unterlagen ein Schaden entsteht. Zwischen dem Steuerberater und dem Mandanten vereinbarte Allgemeine Auftragsbedingungen und die dort geregelte Haftungsbeschränkung gelten in diesem Fall gegenüber der Bank nicht. Dadurch kann eine unbeschränkte Haftung gegenüber der Bank entstehen. Der Steuerberater muss in diesen Fällen aktiv werden und mit der Bank schriftlich fixieren, dass seine Mitwirkung alleine auf der Seite des Mandanten erfolgt und hierdurch kein Vertragsverhältnis mit der Bank entsteht. Anderenfalls muss der Steuerberater mit der Bank die Geltung seiner Allgemeinen Auftragsbedingungen vereinbaren. Wenn der Mandant für die Bank erstellte und vom Steuerberater unterzeichnete Unterlagen der Bank übergibt, besteht zudem die Gefahr einer Dritthaftung des Steuerberaters aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (hier: der Bank). Allerdings gelten in diesem Fall – anders als bei einem Anspruch aus einem stillschweigend abgeschlossenen Auskunftsvertrag – mit dem Mandanten wirksam vereinbarte Haftungsbeschränkungen nach § 334 BGB analog auch im Verhältnis zum Dritten (hier: Bank).

Welche Vertretungsregelungen gelten grundsätzlich für Steuerberater in der Lohnabrechnung?

Gesetzlich geklärt ist, dass Steuerberater ihre Mandanten sozialversicherungsrechtlich gegenüber den Krankenkassen als Einzugsstellen und in der Betriebsprüfung vertreten dürfen. In allen anderen Fragen gilt der Maßstab des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG). Es muss sich um eine zulässige Nebentätigkeit zur Lohnbuchhaltung nach § 5 Abs. 1 RDG handeln. Hier sind noch nicht alle Fragen abschließend geklärt. Grundsätzlich gilt, Steuerberater können ihre Mandanten vertreten bis sie von der Behörde zurückgewiesen werden. Gestellte Anträge für den Mandanten bleiben bis zur Zurückweisung wirksam.

Sind Steuerberater von einem temporären Leistungsverweigerungsrecht betroffen?

Für den Bereich des allgemeinen Zivilrechts wird mit Art. 5 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie in Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht durch eine Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ein Moratorium für die Erfüllung vertraglicher Ansprüche eingeführt. Die Regelung tritt am 1. April 2020 in Kraft. Betroffenen Verbrauchern und Kleinstunternehmen, die wegen der Corona-Krise bestimmte vertraglich geschuldete Leistungen nicht erbringen können, wird danach ein zeitlicher Aufschub gewährt.

Danach besteht ein temporäres Leistungsverweigerungsrecht bis zum 30. Juni 2020 für Ansprüche aus wesentlichen Dauerschuldverhältnissen, die vor dem 8. März 2020 geschlossen wurden. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind bei Verbrauchern solche, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind, bei Kleinstunternehmen solche, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung ihres Erwerbsbetriebs erforderlich sind. Von der Regelung nicht umfasst sind Miet-, Pacht- und Verbraucherdarlehensverträge sowie Arbeitsverträge. Voraussetzung für Verbraucher ist, dass sie aufgrund der durch die Ausbreitung der Infektion hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Ihren vertraglichen Pflichten nicht nachkommen können, ohne Ihren Lebensunterhalt oder den Lebensunterhalt Ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen zu erfüllen.

Diese Regelung gilt jedoch nicht, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger seinerseits unzumutbar ist, d. h., wenn die Nichterbringung der Leistung die wirtschaftliche Grundlage seines Gewerbebetriebs gefährden würde. Der Schuldner hat dann jedoch ein Recht zur Kündigung.

Ein Kleinstunternehmen (Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigten und einem Jahresumsatz von bis zu zwei Millionen Euro) ist betroffen, wenn es die Leistung nicht erbringen kann oder dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre. Dies gilt nicht, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger unzumutbar ist, d. h., wenn die Nichterbringung der Leistung zu einer Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen oder der wirtschaftlichen Grundlagen seines Gewerbebetriebs führen würde. Der Schuldner hat dann jedoch ein Recht zur Kündigung.

Die Schuldner haben durch das Moratorium die Möglichkeit, die Leistung zeitlich befristet zu verweigern, ohne dass ihnen nachteilige rechtliche Folgen wie Verzug, gerichtliche Verfolgung des Primäranspruchs oder das Entstehen von Sekundäransprüchen drohen. Der ungeschriebene Grundsatz "Geld hat man zu haben" ist damit temporär ausgesetzt. Die Bundesregierung wird zudem ermächtigt, durch Rechtsverordnung eine Verlängerung des temporären Leistungsverweigerungsrechts bis zum 30. September 2020 und darüber hinaus vorzunehmen, wenn die Beeinträchtigungen durch die Corona-Krise fortbestehen. Ein Außerkrafttreten der Regelung ist für den 30. September 2022 vorgesehen.

Nun wird teilweise die Auffassung vertreten, dass auch Steuerberater von dem Moratorium betroffen sein könnten, weil ein auf ein Dauermandat gerichteter Steuerberatungsvertrag ein Dauerschuldverhältnis sei und insbesondere die Lohnbuchhaltung und die laufenden Finanzbuchführungsarbeiten für den Bestand eines Unternehmens unerlässlich seien und diese Tätigkeiten damit als wesentlich gelten müssten. Mandanten könnten daher u.U. Leistungen zur Erfüllung von Ansprüchen, die aus dem Dauerschuldverhältnis resultieren, verweigern und trotzdem auf der Leistungserbringung durch den Steuerberater beharren, was vor allem für die Finanzbuchhaltung und Lohnbuchhaltung zutreffen könnte. Folgt man dieser irrigen Ansicht, könnte daran gedacht werden, einen Vorschuss gemäß § 8 StBVV zu fordern. Dem könnte jedoch die Regelung in § 1 Abs. 5 des Moratoriums entgegenstehen, weil im Hinblick auf die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts „nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden“ darf. Wir halten diese Ansicht für unzutreffend und empfehlen deswegen, gegebenenfalls Vorschüsse anzufordern.

Gegen die Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts bei Steuerberatungsverträgen wird jedoch Folgendes eingewandt: Nach der Gesetzesbegründung zum Moratorium geht es ausschließlich um Verträge, die „zur Eindeckung mit Leistungen der Daseinsvorsorge bzw. zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung eines Erwerbsbetriebs erforderlich sind“. In diesen Fällen sind üblicherweise die Leistungserbringer nach den gesetzlichen Regelungen vorleistungspflichtig und  wirtschaftlich deutlich stärker. Unter diesem Gesichtspunkt ist es fraglich, ob Steuerberater Leistungen erbringen, die - so die Gesetzesbegründung - „der Grundversorgung ( Strom, Gas, Telekommunikation, soweit zivilrechtlich geregelt auch Wasser)“ zu dienen bestimmt sind.

Steuerberater helfen zwar bei der Erledigung steuerlicher Pflichten und übernehmen die Lohnbuchhaltung. Der Betrieb könnte jedoch auch bestehen bleiben, wenn diese Leistungen zeitweise bis zum 30.06. oder bis zum 30.09.2020 nicht erbracht würden, d. h. es geht eigentlich darum, dass Kleinstunternehmen weiterhin am Markt bestehen bleiben können und insoweit hierfür die existentiellen Voraussetzungen (Elektrizität, Wasser, Wärme usw.) erhalten bleiben sollen. Hinzu kommt, dass auch viele Kleinstunternehmer diese Tätigkeiten im weiten Umfang selber durchführen (z.B. der mitarbeitende Ehepartner, der sich um die Buchhaltung kümmert). Allein dies schließt bereits aus, dass das Moratorium ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Steuerberater begründen kann.

Darüber hinaus: In § 1 Abs. 3 des Moratoriums sind nur Gewerbebetriebe (Gläubiger) genannt, deren existenzieller Bestand durch das Leistungsverweigerungsrecht (keine Zahlung trotz Fälligkeit) nicht berührt werden darf. Dagegen werden Freiberufler nicht erwähnt und deswegen auch durch diese Vorschrift nicht geschützt. Hieraus kann geschlossen werden, dass der Gesetzgeber diese Berufsgruppe bewusst "nicht in die Pflicht nehmen" wollte, weil er lediglich die wirtschaftlichen Grundlagen eines Unternehmens im Rahmen einer "Daseinsvorsorge" gewährleisten will.

Wäre es anders gewollt, wäre es sinnwidrig, wenn Freiberufler nicht auch wie Gewerbebetriebe einwenden dürften, dass durch die Nichtzahlung der eigene angemessene Lebensunterhalt oder der ihrer Angehörigen gefährdet wäre.

Im Ergebnis ist daher davon auszugeben, dass Steuerberatungsverträge im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen nicht einem Leistungsverweigerungsrecht im Sinne des Moratoriums unterfallen. Unabhängig davon, empfehlen wir allen Berufsangehörigen vor Erbringung der Leistung eine Einschätzung vorzunehmen, unter welchen Voraussetzungen sie die Leistungen gegenüber den Mandanten erbringen wollen und regen an, ggfls. eine bonitätsmäßige Einschätzung des Mandanten vorzunehmen. Im Zweifelsfall sollten Vorschüsse angefordert werden.